Das Gesetz umfasst auf fast 198 Seiten wesentliche Änderungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung. Beworben wird es von der Großen Koalition , Versicherten schnellere Termine anzubieten.
In Zeiten des zunehmenden Hausärztemangels und bis an die Kapazitätsgrenzen übergebührlich ausgelasteten Hausarztpraxen mit dramatischer Zuspitzung stellt sich die Frage, ob die Instrumente geeignet sind, wohin sie führen und ob sie überhaupt einer Folgenabschätzung unterzogen wurden.
Zum Gesetzgebungsverfahren s. Seite des Deutschen Bundestages.
Zu den Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein .
Der tiefe Eingriff, der auf die Praxen zukommen wird, wobei insbesondere Hausarztpraxen angesichts hoher Patientenzahlen und hohem Handlungsbedarf bei durchschnittlich 2,3 Beratungsanlässen pro Kontakt hoch belastet sein werden:
1. Der Zwang, ab 2021 ein Kodierungssystem mit eingebauten "Prüfmaßstäben" und damit kontrolliertem Ablauf einzusetzen.
2. Ab 2020 einer fortlaufenden Meldepflicht an Terminservicestellen zu unterliegen, was den Verlust der Organisationsautonomie der Praxen darstellt.
3. Ab 2021 verpflichtender Anschluss an das System "elektronische Patientenakte", was bedeutet, dass Dokumentationen zu Patienten in einer vorgeschriebenen Form zentral in der Telematikinfrastruktur auf Servern gespeichert werden (Zum Sicherheitsaspekt und der Sicherheitskultur in Deutschland)
Alle diese Elemente gehören aus der Sicht des Vorstandes des oberbergischen Hausärzteverbandes zu dem Wesen einer zentral gesteuerten Health Maintenance Organisation , die sektorübergreifend mit zunehmenden Kontrollfunktionen aufgebaut wird, ohne daß es Folgeabschätzungen gibt. Digitalisierung und der Glaube daran werden als zentraler Treiber politisch verankert. Dass Digitalisierung nach einer Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen die Freiheits- und Grundrechte sichern und darauf aufbauen muss, scheint im Gesundheitswesen sekundär zu sein !
Verantwortlich dafür sind aktuell die Gesundheitspolitiker der Großen Koalition .
Aktuell wird die hausärztliche Versorgung noch durch das Engagement der Hausärzt*innen an der Altersgrenze aufrechterhalten, doch dieses wird zunehmend belastet, was die Basisferne der Systemplaner belegt und damit ihr Versagen!
Im Hausärztlichen Qualitätszirkel Oberberg-Mitte wurde am 11.04.2019 zu den Veröffentlichungen des Bundestages (Gesetz) und den Veröffentlichungen der KBV und KVNO diskutiert.
Daraus ergeben sich folgende Einschätzungen:
Folgende Elemente werden als kritisch angesehen und dazu führen, dass man bei aktuell einer Wahrscheinlichkeit von < 10 Proyent zum Finden eines Nachfolgers so schnell wie möglich bei Erreichen der Altersgrenze aus dem System aussteigen will bei bis dahin Null-Investitionen:
- Anschlusszwang an das TSS und Meldepflichten
- Kodierrichtlinien und daraus erwachsende "Prüfmaßstäbe" und aufwändige Prozeduren im
Praxisablauf, die insbesondere Versorgerpraxen treffen werden
- Katastrophale Information und Vertretung durch die Körperschaften.
Fazit: das TSVG beschleunigt das Wegbrechen der bereits in vielen Regionen kritischen hausärztlichen Versorgung und damit auch im Oberbergischen Kreis.
Die Konsequenzen werden absehbar fatal sein und zu hausärztlich unterversorgten Katastrophengebieten führen.
Die Auffanglinie der "fachärztlichen Grundversorger" mit offenen Sprechstunden und extrabudgetäre Vergütung wird nicht greifen angesichts der komplex sich
entwickelnden Dynamik und der hausärztlich unversorgten Menschen.
Antatt die wertvolle Ressource der Kolleg*innen an der Altersgrenze zu pflegen und resiliente Strukturen aufzubauen , werden sie in den Ausstieg getrieben.
Gleichzeitig gibt es bei der nachwachsenden Generation mit zu 40 Prozent angestrebten Anstellungsverhältnissen und massiver Unterzahl kein Potenzial, innerhalb der kommenden 7 Jahre, die
verhängnisvollen Kapazitätslücken aufzufangen.
Zu allen Maßnahmen gibt es offenichtlich keine Evaluation zu Akzeptanz und Folgen. Damit folgt die Organisationskultur im deutschen Gesundheitswesen dem "Friss-oder-Stirb-"System erfolgloser Top-down-Strategien hinsichtlich der Gesamtauswirkungen.
Die Betriebe in Eigenregie der KV, die das Gesetz vorsieht, werden ebenfalls mit dem massiven Hausärztemangel konfrontiert sein und die Probleme nicht lösen
können.
Der Kollaps des Systems wird bis 2022 ff. eintreten .
Das TSVG verschärft die bestehenden Probleme und löst sie nicht.
Gummersbach, den 12.04.2019