HAUSARZT-NEWS OBERBERG 03.01.2014
Vorstand der KVNO lehnt nach 10 Jahren in Benehmen mit den Krankenkassen den bisherigen Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses ab.
Eine Folge der Regress-Diskussionen ?
Heute erschien in der Rheinischen Post ein Artikel, dass bei der Neubestimmung des Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses für die Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ein Dissens zwischen der
KVNO und den Krankenkassen ausgebrochen ist. Die KVNO möchte eine Neubesetzung, die Krankenkassen wollen den seit 10 Jahren im Amt befindlichen Mönchengladbacher Juristen Dr. Backes im Amt belassen.
Die Krankenkassen wenden sich jetzt
ans Ministerium zur Schlichtung.
Der Vorstand der KVNO möchte sich nicht zur Personaldiskussion öffentlich äußern.
Insofern bleibt nur zu vermuten, dass die Diskussion und Beschlusslage der Vertreterversammlung vom 29.11.2013 nach dem LSG-Urteil (massiver Protest gegen das Urteil, Aufforderung an den Vorstand,
rechtliche Prüfungen und Schritte vorzunehmen und die Prüfvereinbarungen zu kündigen) das Verhalten des KVNO-Vorstandes in der Diskussion um den Vorsitzenden maßgeblich bestimmt hat. An dieser
Diskussion und Herbeiführung von Beschlusslagen haben die Vertreter des Hausärzteverbandes maßgeblich mitgewirkt.
Zum Artikel in
der RP
Die KVNO hat in ihrem heutigen Pressespiegel diesen Artikel aufgeführt. Ebenfalls beim online-Ärztenachrichtendienst (www.hausarzt.de)
wurde dazu berichtet und ich habe folgendes Statement dazu abgegeben, um die Dimension dieses Vorganges nochmals zu beleuchten:
Die seit 1947 entwickelten berufsethischen internationalen Standards des Weltärztebundes haben Gültigkeit auch für Deutschland. Die deutsche Übersetzung der Deklarationen sind von der BÄK herausgegeben:
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/handbuchwma.pdf
In Ableitung der Deklaration von 1987 (Madrid) zu Autonomie und Selbstverwaltung (S.14)ergibt sich die zwingende Schlussfolgerung, dass in Beschwerdeausschüssen keine nicht-ärztlichen Mehrheiten zu Fragen medizinischer Indikationen und Anerkennung von Praxisbesonderheiten in Prüfverfahren entscheiden dürfen.
Seit 10 Jahren führt ein Jurist den Ausschussvorsitz in Nordrhein und kann mit seiner ausschlaggebenden Stimme in Regressverfahren die Anerkennung von Praxisbesonderheiten hinwegfegen und nach Vergleich an "Durchschnittswerten" (Gesetzesnorm) den Regress ohne aufschiebende Wirkung verhängen .
Bundesweit Staub aufgewirbelt hat der Fall des Kollegen Blettenberg in unserem Kreis, der nach Übernahme von Heilmittelverordnungen für psychisch Behinderte in einem Heim nach Wegfall einer nervenärztlichen Praxis sich ethisch vorbildlich verhalten hat (Sicherung der Grundrechte der Patienten auf eine kontinuierliche Versorgung) und damit auch der Bitte der Kreisstelle der KVNO in 2008 nachkam. Aufgrund der Spruchpraxis des Beschwerdeausschusses in Verantwortung des langjährigen Vorsitzenden bekam er 185.000 Euro als Regress-Summe aufgebrummt . Eine Beratung vor Regress ist nicht erfolgt. Diese Situation treibt inwzischen Bürgermeister,Lokal- und Bundespolitiker auf die Barrikaden und in der Kolaitionsvereinbarung steht, dass das bisherige Verfahren durch regionale Prüfvereinbarungen abgelöst werden soll.
Als Mitglied der VV der KVNO habe ich am 29.11.2013 bei der VV (Ministeriumsvertreter immer anwesend) ausgeführt, dass die KVNO, wenn sie noch den Anspruch auf eine ärztliche Selbstverwaltung erheben möchte, die berufsethischen Grundsätze wahren und verteidigen muss. Ich habe aus der Deklaration von Lissabon zitiert, die Ärzte verpflichtet, wenn die Grundsätze einer kontinuierlichen Patientenversorgung gefährdet werden (z.B. auch bei Unterfinanzierung, wie für Nordrhein anhand mehrerer Kriterien festgestellt, und bei Regressbedrohungen von Hausärzten, wenn sie Versorgungsaufgaben übernehmen), geeignete Maßnahmen gegenüber Legislative,Regierung,Administration und Institutionen zu ergreifen. An den KVNO-Vorstand und insbessondere den Justitiar habe ich mich gewandt mit der Aufforderung, uns nicht die Gesetze zu erklären, sondern hinsichtlich der Gewährleistung der berufsethischen Verpflichtungen, denen unser Gelöbnis gilt, zu kämpfen.
Die auslösende Situation für diese Diskussion in der KVNO war das verheerende Urteil des LSG Essen am 20.11.2013, welches den Grundatz "Beratung vor Regress" für alle Fälle aushebelte, die ohne Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten die Richtgrößen um 25 v.H. überschreiten. Noch in 2014 wird eine letztinstanzliche Entsccheidung vor dem BSG dazu erwartet. Davon hängt dann das Schicksal etlicher Regressfälle ab.
Nach der Diskussion hat die VV der KVNO einstimmig bei drei Enthaltungen massiven Protest gegen das Urteil eingelegt, den Vorstand aufgefordert, alle rechtlichen Schritte einzuleiten und die aktuellen Prüfvereinbarungen mit den Kassen zu kündigen.
Aus meiner Sicht ist dabei eine der gem. VV-Beschluss notwendigen Maßnahmen, den Vorsitz des Beschwerdeausschusses nach 10 Jahren auszuwechseln, der mit seiner Stimme ausschlaggebend eine wesentliche Verantwortung für die Spruchpraxis der letzten Jahre trägt.
Wurden im Falle des Kollegen Blettenberg die Kassen befragt, welchen wirtschaftlichen Schaden sie darstellen können, wenn ein Allgemeinarzt die Verordnungen eines weggefallenen Nervenarztes für die schwer erkrankten Versicherten übernimmt ?
Sind die Kassen an einer guten Versorgung interessiert oder nur an Durchschnittwerten orientierten Regress-Fallbeilen bei Einsackung des Gewinnes und Bedrohung engagierter Hausärzte?
Im Schnell-Informationssystem des GKV-Spitzenverbandes zu heilmittelverschreibenden Fachgruppen kann man sehen, wer die Hauptrisikogruppen sind, bei denen die Regresse zuschlagen.
Zum Glück gibt es jetzt eine zunehmend öffentliche Diskussion dazu .
Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, den §106 SGBV und die Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung gem. Ankündigung im Koalitionsvertrag schnellstmöglich zu ändern . Die in Nordrhein aufgeflammte Diskussion und Beschlusslagen der VV der KVNO und 1 Woche vorher der Ärztekammerversammlung machen deutlich, worum es geht und dass die bislang lautlos arbeitende Spruchpraxis und die Gesetzeslage einer dringenden Änderung bedürfen.
Es ist bislang eine unwidersprochene Einschätzung und wird auch von vielen Kommunalpolitikern in unserem Landkreis angesichts des Falles Blettenberg geteilt, dass ohne Änderungen der hausärztliche Nachwuchs komplett abgeschreckt wird.
Was machen die Kassen mit ihren Prüfanträgen , wenn sie niemanden mehr haben, der ihre Versicherten versorgt?
M.E. sollte der Vorstand der KVNO sich nicht auf die Position zurückziehen, dass zu Personalien nicht öffentlich diskutiert wird. Die Personalien sind mit der inhaltlichen Diskussion eng verbunden. Hier gilt jetzt mal, Farbe zu bekennen und damit auch der berufsethischen Verpflichtung zu folgen, angesichts einer angekündigten Gesetzesänderung die berufsethischen Verpflichtungen zu Autonomie und Selbstverwaltung klar zu benennen:
- Keine nicht-ärztlichen Mehrheiten zur Beurteilung von Praxisbesonderheiten in Prüfverfahren.
- Abschaffung des Vergleichs an Durchschnittswerten
- ärztliche Definitionsmacht zu Versorgungsnotwendigkeiten in Kontrollgremien der Selbstverwaltung
MfG
R.K."