Vortragende der KVNO: Frank Naundorf, Claudia Pintaric (Abteilungsleiterin IT -Beratung), Franz Josef Eschweiler (IT-Beratung)
Tenor: Wir sind nicht begeistert, aber der Gesetzgeber verlangt die Umsetzung.
1. Knackpunkt: Mit dem online-Rollout startet ein großer Praxistest (!).
"Durch die verpflichtende Teilnahme aller Praxen soll die
Stabilität der TI und die Praxistauglichkeit der Prozesse getestet und sichergestellt werden."
Dieses Zitat stammt von Folie 6 des Vortrages "Online-Rollout der Telematikinfrstruktur". Wer es nachlesen und sich informieren
möchte: Die Vorträge sind von der KVNO
Im Klartext heißt das: Wie die TI unter Vollastbetrieb in den Praxen funktioniert, weiß derzeit niemand. Die Ergebnisse aus der eingeschränkten
Testphase aus der Testregion Nord-West bei Schweigeverpflichtung der Testteilnehmer sind bislang bei der gematik nicht zu finden, obwohl die Veröffentlichung durch eine Rechtsverordnung
vorgeschrieben ist (eGK-TVO)!
Berichte aus angeschlossenen Arzt- und Zahnarztpraxen weisen teilweise mehrstündige Ausfälle nach, die jeweils Interventionen durch Hotlines erforderlich machten,
die teilweise nicht zeitgerecht zu erreichen waren. Dabei scheint auch die Interoperabilität des eHealth-Terminals/Konnektor mit dem Praxisverwaltungssystem eine störanfällige Größe
darzustellen.
Während alle TI-Komponenten durch das BSI zertifiziert und von der gematik zugelassen sind und im Laborbetrieb funktionieren sollen, zeigen sich im Echtzeit- und
Hochlastbetrieb mehrstündige Ausfälle.
Wer trägt die Folgen von solchen Betriebsausfällen und haftet dafür?
2. Knackpunkt: Die Finanzierung
Von Quartal zu Quartal sinken die Zuschusspauschalen, die die KBV mit den Krankenkassen verhandelt hat.
Die KVNO empfiehlt, nur einen Konnektor anzuschaffen, der von der Softwarefirma des Praxisverwaltungssystems (PVS) angeboten wird und betreut werden kann ("Lösung
aus einer Hand").
Aktuell ist nur ein Konnektor von CGM auf dem Markt .Die Zulassung für einen zweiten Konnektor ist erfolgt, dieser steht aber noch nicht zur
Verfügung.
100.000 Praxen haben kein PVS, welches zu CGM gehört und sind dadurch faktisch aktuell ausgeschlossen , sich mit einem einigermaßen kostendeckenden Zuschuss an die
TI anzuschließen. Demnächst erst soll ein 2. Konnektor zur Verfügung stehen und die Frage ist noch offen, mit welchen PVS dieser interoperabel ist und wie die Softwarefirmen sich diesbzüglich
bewegen.
Während der Zuschuss im 2. Q. 2018 noch 2.557 € beträgt (für den Konnektor), sinkt er ab 3. Q. 2018 auf 1.155 €.
Die Position der KBV aktuell: "Wir werden nachverhandeln." "Wir werden nicht hinnehmen, dass Ärzte und Psychotherapeuten draufzahlen."
Für die Höhe der Zuzahlung ist allerdings nicht der Zeitpunkt der Bestellung entscheidend, sondern der Zeitpunkt der 1. Nutzung
(Versichertenstammdatenausgleich).
Mind. 100.000 Praxen, falls sie sich anschließen wollen, werden also finanziell beim aktuellen Status kräftig drauflegen. Aktuell sind erst wenige Praxen
"angeschlossen".
Finanzielle Belastungen und fehlende Betriebssicherheit sind also wahrscheinlich bei einer gesetzlich verankerten Umsetzungspflicht.
Bei Nicht-Anschluss an die TI werden ab 01.01.2019 Honorarminderungen von 1% des Jahresumsatzes fällig (im Gesetz festgeschriebene
Sanktionierung).
Die KVNO rät:
""PrüfenSie vorliegende Angebote genau und achten Sie darauf, dass die Kosten für die Komponenten möglichst überdie Pauschalen gedeckt
werden."
D
Eine solche Forderung muss allerdings erst einmal politisch durchgesetzt werden!
Aktuell sind nur sehr wenige Praxen angeschlossen. CGM wirbt mit "Frühlingsangeboten" und sichert einen Anschluss innerhalb von 6-8 Wochen
zu.
In der Politik (Minister Laumann) und bei Kassenvorständen (AOK Bundesverband) mehren sich die Stimmen, die die gematik für gescheitert erklären, Minister Laumann
zuletzt bei einer Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein und der KV Nordrhein.
Was daraus folgt, weiß niemand. Bislang hat die gematik 1,7 Mrd. Euro verschlungen. Ergebnisse im "größten IT-Projekt weltweit" sollen erzwungen
werden ohne Rücksicht auf Kollateralschäden.
Mögliches Verhalten:
Kritisch bleiben und nicht umfallen.
Die Entwicklung nicht nur abwarten, sondern aktiv Betriebssicherheit und Offenlegung der Testberichte fordern.
Einfordern, dass die Zuschüsse den Preisen der Anbieter folgen und Ärzte und Psychotherapeuten keinen Cent drauflegen, um ein öffentliches und
administratives Bedürfnis (Versichertenstammdatenmanagement) zu befriedigen.
Systemausfälle und Störfälle berichten und ein Berichtwesen zu solchen Kollateralschäden einfordern (TI-Ausfälle müssen erfasst und dokumentiert
werden).
Haftungsrisiken für Betriebsausfälle sind zu definieren und durch die Verursacher abzusichern.
Die offene Frage wie immer: stellt sich die Ärzteschaft geschlossen und konsequent hinter solche Forderungen und geht in die Auseinandersetzung angesichts Druck
durch das Gesetz ?
Gesetzgeber u.a. hoffen allerdings aufs Umfallen und Wagnisbereitschaft unter Druck für ein großes Experiment im Vollastbetrieb.