TSVG
Die im Gesetz zeitlich gestuften
Maßnahmen greifen tief in die Praxisautonomie ein .
Der Gesamtaspekt von Zwangsanschluss an die TI mit den kommenden medizinischen Anwendungen, die demnächst nach kurzer Testphase durch die gematik ( 70 Praxen, 1.400 Patienten, 8 Wochen, keine externe
Evaluation) in die Praxen gebracht werden sollen, Terminverwaltung durch die Termin-Service-Stellen und ab 2021 durch Deutsche Krankenhausgesellschaft (!) und DIMDI festgelegte Kodierrichtlinien, die
dann zwangsweise in den Praxen - und wir vermuten: mit einem kontrollierten Assessment-Verfahren - durchgeführt werden sollen lässt die Umrisse einer kontrollierten auf Krankheitsdiagnosen
aufbauenden zentral kontrollierten Struktur erahnen.
Wir bezeichnen diese Struktur als "Health-Maintenance-Organisation" mit Steuerungsinstrumenten aus den USA, in denen die Gesundheitswirtschaft mit
einer aktuellen Wertschöpfung von über 1 Mrd. Euro pro Tag in Deutschland zum Tragen kommt und immer mehr Kolleg*innen sich fragen werden, welchen Stellenwert noch ihre persönliche
Arzt-Patientenbeziehung hat und wieweit sie in ihrer Arbeit zunehmend fremdgesteuert sind. Dazu hat sich der Vorstand des oberbergischen Hausärzteverbandes bei der Vertreterversammlung der KVNO am
30.03.2019 und bei der Frühjahrstagung des Hausärzteverbandes im Mai in Erfurt deutlich geäußert.
Der KVNO-Vorstand muss jetzt, wie er bei der Vertreterversammlung am 14.06.2019 angab, "in den Umsetzungsmodus schalten", was bedeutet, dass die KVNO immer mehr zum Exektutivorgan des staatlichen
Eingriffswesens wird. Damit wird die ärztliche Selbstverwaltung zu großen Teilen an die Leine gelegt.
Alle Praxen sind aufgefordert, ab 30.06.2019 freie Termine an die TSS zu melden.
Im Gesetz steht (§75 , Inhalt und Umfang der Sicherstellung) mit allen Regelungen zu den TSS:
"Die
Vertragsärzte sind verpflichtet, der Terminservicestelle freie Termine zu melden."
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__75.html
Freie Termine?
Die uns bekannten Hausarztpraxen versorgen alle mind. 50 Prozent mehr Patienten als der Fachgruppendurchschnitt und haben eine Wochenarbeitszeit inkl. begleitender Bürokratielast von ca. 60 Stunden. Im Qualitätszirkel gab keine Kolleg*in an, „freie Termine“ zu haben. Die Bestandspatienten fordern den vollen Einsatz, dazu die Vertretungsfälle und die zwischendurch behandelten Patienten mit dringlichen und nicht aufschiebbaren Anlässen und Problemlagen. Jede Behandlungsübernahme bei einem „Termin“ begründet einen Behandlungsfall, der richtlinienkonform behandelt werden muss. Unsere belasteten Praxen haben keine freien Termine , sondern behandeln vollumfänglich ihre Bestandspatienten , für die sie seit Jahren die Behandlungsverantwortung über ihre Praxisorganisation tragen.
Da nur „freie“ Termine gemeldet werden sollen, was passiert, wenn es keine freien Termine auf absehbare Zeit für neue Behandlungsfälle gibt, da die Kapazitäten erschöpft sind?
Eine entsprechende Mitteilung an die KVNO ist u.E. sinnvoll, dass aufgrund der überdurchschnittlichen historischen und aktuellen Behandlungszahl und Inanspruchnahme durch Bestandspatienten , deren Versorgung durch die Praxis organisiert wird, auf absehbare Zeit keine freien Behandlungsplätze gegeben sind und hierdurch eine sinnlose wöchentliche Meldung zu fehlenden freien Terminen entfällt.
Alternativ braucht keine Meldung zu erfolgen, wenn keine freien Termine vorhanden sind, da gem. Gesetzestext nur freie Termine gemeldet werden sollen.
Zu Mehrarbeit über Gebühr bei Gefährdung der eigenen Gesundheit und Überschreitung der Belastungsgrenzen kann niemand gezwungen werden !
Wir können uns auch nicht vorstellen, dass Kolleg*innen nur „Neufälle“ annehmen, die sie zwei Jahre nicht gesehen haben, um ein höheres Honorar zu kassieren !
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Lenkungsgruppe Haus- und Kinderärzte Oberberg /Kinderärztlicher Notdienst
Der Vorstand des oberbergischen Hausärzteverbandes , die Mitglieder des Kreisvorstellenstandes der „Haus- und Kinderärzte Oberberg“, der Obmann der Kinder- und Jugendärzte und ein IT-versierter Kollege treffen sich 3-4x jährlich zum Austausch zu aktuellen Themen.
Aktuell stand die Situation des kinderärztlichen Notdienstes auf der Agenda.
Die an der pädiatrischen Notfallpraxis beteiligten Kolleg*innen sind von 18 auf aktuell 12 zurückgegangen, was zu einer unerträglichen Dienstbelastung geführt hat. Unterstützung aus Nachbarkreisen gibt es nicht. Im Rheinisch-Bergischen Kreis wie auch im Kreis Euskirchen sind die pädiatrischen Kolleg*innen am Allgemeinen Notdienst beteiligt. Kleinkinder aus diesen Kreisen werden von den Eltern im Notdienst häufig nach Köln in die Amsterdamer Straße in Köln gebracht. Das Einzugsgebiet der pädiatrischen Notdienstpraxis Gummersbach geht weit über den Oberbergischen Kreis hinaus.
Im Rahmen der verringerten zeitlichen Präsenz (Wegfall der Dienste an den Wochentagen Mo.,Di. und Do.) des kinderärztlichen Notdienstes soll an diesen Wochentagen ein pädiatrischer konsiliarischer Telefondienst eingerichtet werden, was rechtliche und Honorarfragen aufwirft.
Unsere Positionen:
-Die Verantwortlichkeit im Notdienst liegt beim Diensthabenden vor Ort. Er/sie entscheidet über das Vorgehen zu Untersuchung, Behandlung, Einholen eines konsiliarischen Rates oder stationäre Einweisung.
-Die Entwicklung soll aufmerksam verfolgt werden.
- Haus- und Kinderärzte , vertreten durch Hausärzteverband und pädiatrische Obleute, stehen hinsichtlich Austausch und Lösungsstrategien zusammen. Wir bemängeln, dass es seit 2015 zu den zentralen Fragen des pädiatrischen Notdienstes ( Zahl und räumliche Verteilung der Notdienstpraxen, Beteiligung der Kinder- und Jugendärzt*innen flächendeckend an den Notdienstpraxen) keine Weiterentwicklung und keine Lösungen wie in Westfalen-Lippe gegeben hat und jetzt aufgrund der demographischen Entwicklung bei den Pädiatern die pädiatrische Notfallversorgung im Oberbergischen einbricht.
- Ein Schreiben zu den notwendigen Klärungen wurde vom Vorstand des oberbergischen Hausärzteverbandes verfasst und mit den Kollegen der „Hausarztliste“ in der Vertreterversammlung in die zuständigen Gremien der KV gebracht. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Zwangs-Anschluss an die TI
Die Kolleg*innen, die sich haben anschließen lassen, machen Erfahrungen, die nicht im offiziellen Drehbuch der Politik und der K(B)V stehen:
1. Nach dem zumeist mehrstündigem Anschlussverfahren kommt es bei mehr als 25 Prozent der Praxen zu Systemverlangsamungen und –abstürzen, die teilweise mehrtägige Nachbesserungen erfordern.
2. Die von uns und dem Mediverbund aufgeworfenen Fragen zur Sicherheit,- Sicherheitskommunikation und möglichen Angriffswegen, haben auf der Ebene der KBV zu im Detail nichtssagenden Erklärungen geführt bei Schweigen der gematik und des BSI. Verpflichtet sind alle Provider, die TI-Installationen in der Praxis durchführen, Sicherheitshinweise zu geben, Sicherheitsreports vorzulegen und Handbücher auszuhändigen. Alles das erfolgt allenfalls bei Nachfrage !
Das BSI hat zu jedem Konnektor veröffentlicht:
-Sicherheitsvorgaben
-Sicherheitsreport (durch ein zertifiziertes Unternehmen, z.B. TÜV Rheinland)
-Sicherheitszertifikat
Für den CoKo-Box-Konnektor existieren alle Dokumente nur auf Englisch !
Die Sicherheitsvorgaben und der –report gehen von einer „sicheren Umgebung“ aus. Dafür haftet die Praxis in einem Umfang, der den meisten unbekannt ist.
Es gibt den „lokalen Administrator“, das ist Praxisinhaber, den „externen Administrator“ (kann sich von außen auf den Konnektor aufschalten für Updates usw.) und den „Super-Administrator“(??). Werden Praxen zu den Administrator-Tätigkeiten informiert ? CGM beantwortete eine entsprechende Anfrage mit :“JA“.
Können wir das kontrollieren ? NEIN.
Jeden Morgen zwischen 4 und 5 h werden dem Konnektor neue Sicherheitszertifikate erteilt und täglich wird die Zeituhr synchronisiert . Wird der Konnektor länger als 7 Tage abgeschaltet, wird er aus der TI ausgesondert.
Angriffe auf die zentrale TI werden durch eine Cyber-Abwehr des BSI analysiert und abgewehrt. Im Frühjahr 2018 gab es einen größeren Störfall.
Fazit: Praxisinhaber*in arbeitet in der Praxis und merkt nicht,was im Hintergrund läuft: Updates, Angriffe, Bedrohungsszenarien.
Einen Newsletter des BSI und der gematik gibt es nicht.
Im Februar 2019 hatten wir bei Durchsicht der veröffentlichten Dokumente bemängelt, dass es beim Schutzniveau 1 nach Common Criteria für den Konnektor keine Hinweise auf sog. Penetrations-Tests i.R. einer Sicherheitsüberprüfung gegeben habe. Diese Fragen wurden ebenfalls vom Medi-Verbund in einem offenen Brief an KBV-Vorstandsmitglied Kriedel gestellt. Eine Antwort erfolgte nicht.
Penetrations-Tests gelten als angemessene Sicherheitsüberprüfungen weltweit für vulnerable Strukturen und werden von zertifzierten Dienstleistern durchgeführt.
In den inzwischen vom BSI veröffentlichten Sicherheitsreports der zertifizierten Prüfinstitutionen werden Pen-Tests beschrieben.
Warum erfolgte seitens der KBV und der KVen keinerlei Hinweis ?
Wer fühlt sich für die notwendigen Informationen verantwortlich ?
Unseres Erachtens handelt es sich um eine organisierte Verwantortunglosigkeit, die Unsicherheiten erzeugt und keinerlei Vertrauen in die Telematikinfrastruktur begründet, die mit Sanktionen jetzt durchgesetzt werden soll.
Hinsichtlich der Charakterisierung der Situation weisen wir nochmals auf die einstimmige Resolution der Vertreterversammlung vom 30.03.2019 hin:
„Wir, die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft in Nordrhein
-in Besorgnis über die aktuellen Entwicklungen und die angedrohten Sanktionen sowie weiterer angedrohten Maßnahmen bei Verweigerung des TI-Anschlusses
-in Empörung über die katastrophale und Vertrauen beschädigende Kommunikation der Verantwortlichen zu essentiellen Sicherheitsfragen der Telematikinfrastruktur und der dezentralen Komponenten und zu daraus resultierenden Besorgnissen
-in Solidarität mit allen Kolleginnen und Kollegen erklären hiermit:
1.Wir sind solidarisch mit allen verunsicherten und sich unter Druck fühlenden Kolleginnen und Kollegen, die sich unter dem massiven Drohpotential an die TI anschließen oder sich bewusst dagegen entscheiden.
2.Wir sehen die Information der politisch Verantwortlichen hinsichtlich der Sicherheitsfragen und der Sicherheitsstruktur mit den Konsequenzen für Praxen und die daraus resultierenden Haftungsrisiken als Vertrauen zerstörend an.
3.Die politisch Verantwortlichen sehen wir in der voll umfänglichen Verantwortung für alle Folgen.
4.Wir stellen uns uneingeschränkt hinter das Arzt- und Psychotherapeuten-Patientenverhältnis und fordern eine sofortige Anpassung der Sicherheitskultur in Deutschland an internationale Standards. Dieses soll gelten für alle Digitalisierungsmaßnahmen und für die Telematikinfrastruktur.
5.Die Wahrung des Patientengeheimnisses als Teil der Grund- und Menschrechte ist unantastbar.
6.Wir fordern eine offene und transparente Diskussion zu allen aufgeworfenen Fragen.
7.Wir stellen uns hinter alle durch ihre Entscheidungen betroffenen Kolleginnen und Kollegen.
8.Wir fordern die Darstellung der Folgen für die einzelnen Ärztinnen und Ärzte sowie die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.“
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Im nächsten Newsletter wird es um das Zukunftsthema des 21. Jhdts. gehen, von welchem die Zukunft der „life-supporting-systems“ der Erde abhängt und damit der menschlichen Zivilisation: die dramatischen Änderungen des Klimas durch den Radiation-Effekt ansteigender Treibhausgaskonzentrationen seit 1850 und exponentiell seit ca. 1990 (kumulativ 1.200 +/- 320 Gt CO2) zu 82 Prozent aus den Emissionen der OECD-Industrieländer : Die Gesundheit und die Gesundheitssysteme geraten unter Druck. Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.
Der Vorstand des oberbergischen Hausärzteverbandes ist tätig:
· Bei Klimawandel und Gesundheit e.V. (gemeinnützig, bundes- und weltweit vernetzt)
· Im KlimAdapt-Netzwerk (Anbieter/Nutzer von Vorsorgediensten) des Umweltbundesamtes u.a. in Vorbereitung auf Hitzewellen
· Bei den Global Family Doctors (WONCA), Working Group on the Environment
(aktuell Übersetzung eines weltweiten „Call to all the Family Doctors of the World“) in Verbindung mit Kolleg*innen weltweit und Public Health-Forschern (London School of Hygiene and Tropical Medicine,Lancet Count down)
· Entwicklung von Konzepten zu „Klima-Sprechstunde“ und „FOCUS on Humanity&Health“
· Vorträge,Panel-Diskussionen,Workshops,Öffentlichkeitsarbeit
Darüber werden wir berichten.
Am 04.07.2019 wird der Kreistag des Oberbergischen Kreises zu unterschiedlichen Anträgen zu „Klima-Notstand“ von mehreren Fraktionen beraten.
Dr.med. Ralph Krolewski
Vorsitzender des oberbergischen Hausärzteverbandes